Wettbewerb mit dem Straßengüterverkehr
In Europa ist der Luftfrachtverkehr, bedingt durch die geringe Ausdehnung des Kontinents und dem überwiegend gut ausgebautem Straßennetz, leicht durch den Straßengüterverkehr substituierbar (vgl. Grandjot, 2002, S. 193). Gegenüber dem Flugzeug verfügt der LKW über eine höhere Netzabdeckung und Flexibilität bei deutlich niedrigeren Kosten. Während, abhängig von Strecke, Auslastung und Flugzeugtyp, bei einem Flugzeug Kosten von rund 0,3 bis 1,3 Euro/tkm anfallen, sind es beim Lkw nur 0,05 bis 0,2 Euro/tkm (Frye, 2004, S. C3-54). Der generelle Zeitvorteil des Flugzeuges kommt hingegen erst ab einem mittleren Entfernungsbereich von ca. 1000 Kilometern Distanz zum tragen, da vorher die Bodenabfertigungszeiten (Verzollung, Frachtumschlag, Umladevorgänge usw.) den Geschwindigkeitsvorteil des Flugzeuges kompensieren.[1] Innerhalb dieses Entfernungsintervalls ist somit der ausschließliche LKW-Transport sowohl aus Zeit- als auch aus Kostengründen vorteilhaft (Becker, 1999, S. 56). Nicht nur Verlader entscheiden über die Wahl des Transportmittels. Inzwischen befördern auch Fluggesellschaften große Teile ihres als Luftfracht deklarierten Transportaufkommens planmäßig ausschließlich im Oberflächenverkehr. Die als sog. Road-Feeder-Dienste bezeichneten Transporte (Trucking) erfolgen überwiegend per Lkw und sind als Luftfracht tarifiert (ebenda). Im Jahr 2005 wurden Boeing (2006b, S. 50) zufolge in Europa fast 8300 wöchentliche Road-Feeder-Relationen zwischen 890 Städten bedient. Dabei werden mit steigender Tendenz auch Langstreckentransporte im Liniendienst durchgeführt, ebenso werden zunehmend auch höherwertige Güter per Lkw transportiert. Von den stetig neu hinzukommenden Relationen führen die meisten vor allem in die osteuropäischen Staaten (ebenda). Grandjot (2002, S. 193) beziffert das in dieser Form im europäischen Raum beförderten Luftfrachtaufkommen auf etwa 30%. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Gründe hierfür sind u.a. der zunehmende Einsatz von Nur-Fracht-Gerät und größeren Passagierflugzeugen. Zur Auslastung der erhöhten Kapazitäten werden die Konsolidierungs- und Zentralisierungsbestrebungen steigen. Des Weiteren werden die Verschärfungen der Nachtflugbeschränkungen tendenziell dazu führen, dass notwendige Nachtflugaktivitäten eingestellt und mit dem LKW ersetzt werden müssen. Ferner werden bei den gegenwärtigen Wachstumsraten durch das Zulaufen der Frachtzentren um die Hub-Flughäfen, zunehmende Off-Airport-Stationen entstehen, die ebenfalls zu mehr Luftfrachtersatzverkehr führen werden (vgl. Becker, 1993, S. 61). Ebenso muss bei einer europaweiten Zulassung von 60-Tonnern (Mega- oder Gigalinern) davon ausgegangen werden, dass sich der Kostenvorteil des Lkws noch weiter erhöhen wird. Untersuchungen zur Folge könnten die überlangen Lkw gegenüber den gewöhnlichen Fahrzeugen 20 bis 25% günstigere Betriebskosten aufweisen (Amann, 2007).
[1] Aberle (2003, S. 554) schätzt, dass die Fracht allein durch die Abfertigung etwa 73% der gesamten Transportzeit am Boden verbringt, mit Vor- und Nachlauf sind es sogar 90% (Buchholz, Clausen, Vastag, 1998, S. 144).