Wettbewerb der traditionellen Anbieter

Um zu einer Aussage zur Wettbewerbssituation innerhalb der Gruppe der klassischen Luftfracht zu kommen, muss zum einen der horizontale Wettbewerb der Speditionen und Fluggesellschaften untereinander und zum anderen der vertikale Wettbewerb zwischen Fluggesellschaften und Speditionen untersucht werden.

 

Der Luftfrachtspeditionsmarkt befindet sich in einem rapiden Wandel und ist von einem starken Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet. Entsprechend ist die Konzentration in der Branche hoch. 2004 wurden 45,3% der weltweiten Luftfrachttonnage durch die zehn größten Spediteure abgewickelt (o.V, 2006b).[1] Dabei geht der Trend zu einer stärkeren Segmentierung der Branche. Insbesondere die großen Luftfrachtspediteure entwickeln sich zunehmend vom traditionellen Transportorganisator hin zu internationalen Logistikdienstleistern. Um in diesem ertragsstarken Segment flächendeckende Präsenz zu erreichen, ist in den vergangenen Jahren eine außergewöhnliche Akquisitionswelle durch die Branche gegangen. So halten alleine die beiden Logistikriesen Deutsche Post Worldnet und DB Logistics über ihre Töchter DHL Global Forwarding und Schenker knapp 20% des weltweiten Luftfrachtaufkommens. Dabei ist momentan nicht davon auszugehen, dass die Konsolidierungsdynamik in diesem ertragsstarkem Segment bereits ein Ende gefunden hat. Einem Branchenbericht der Dresdner Bank (2005, S. 4) nach werden am Ende des Konzentrationsprozesses in Europa nur etwa fünf bis zehn Logistikkonzerne übrig bleiben. Unter Druck gerät indes auch die mittelständisch strukturierte Speditionsbranche. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben sich in Deutschland beispielsweise Speditionsallianzen formiert (z.B. Iglu, Challenge, Future) die in ihrem Heimatmarkt immerhin 16% Luftfrachtaufkommen auf sich vereinigen können (Frye und Steiger, 2004; Bjelicic, 2001, S. 31). Langfristig bestehen bleiben werden nach Branchenmeinungen aber nur die Unternehmen, die durch internationale Kooperationen ihre Dienstleistungen in einem weltweiten Netzwerk anbieten können (Grandjot, 2002, S. 99 ff.). Chancen werden zudem in der Positionierung als Nischespezialist gesehen (Dresdner Bank, 2005, S. 4).

 

Die Konzentration in der Speditionsbranche wird bisweilen auch mit der wachsenden Bedeutung von Sammelladungsverkehren erklärt. Mit einer Konsolidierung einzelner Luftfrachtsendungen zu größeren Sendungseinheiten nutzen Spediteure eine in der Tarifstruktur verankerte Frachtratendegression zur Erzielung von Transportarbitrage (Biermann, 1986, S. 214 ff.). Hierzu werden Einzelsendungen in einem Sammellager oder einem Speditionshub sortiert, zu größeren Ladungseinheiten zusammengefasst und ggf. “ready for carriage“ an die von der Spedition als Frachtführer beauftragte Fluggesellschaft übergeben (Windisch, 1996, S. 24f., Oelfke, 1996, S. 429). Die Konsolidierung erfolgt nach den Kriterien Destination, Gewicht und Volumen. Für abflugbereite Sendungen die einem optimalen Gewicht-Volumen-Verhältnis von 1 t pro 6 m3 (Pivot-Gewicht) entsprechen, liegt ein Frachtratenminimum vor (ULD-Raten im Ladeeinheitstarif).[2] Abweichungen hiervon führen zu nicht optimal ausgelasteten Frachtkapazitäten (Cube-out Effekt) und somit unter Umständen zu Frachtaufschlägen. Daher versuchen Speditionen Einzelaufträge zu einem optimalen Sendungsmix aus High- and Low-Density-Fracht zusammenzuführen (Becker, 1999, S. 33, Doganis, 2002, S. 323f.). Um hieraus jedoch Wettbewerbsvorteile zu erzielen, sind ausreichend große Luftfrachtvolumina nötig.  Allianzen und Fusionen sind typischerweise von derartige Synergieeffekten geprägt.  

 

Ähnlich der Speditionsbranche ist die Rivalität der Fluggesellschaften untereinander als hoch einzuschätzen (Althen, Graumann und Niedermayer, 2001, S. 424 f.). Da nahezu jeder Staat eine eigene Fluggesellschaft besitzt, ist der Gesamtmarkt stark fragmentiert und von einem notorischen Überangebot gekennzeichnet. Neben dem großen Volumen an Kapital, das produktions-faktorspezifisch in Flugzeugen und Abfertigungsanlagen gebunden ist, verhindern vor allem Subventionen (offene oder verdeckte) ein ökonomische wichtiges Ausscheiden unprofitabler Unternehmen aus dem Markt (Vahrenkamp, 2005, S. 273). Aufgrund der unterdurchschnittlichen Wachstumsraten in der Vergangenheit und schwacher Zukunftsprognosen (für die klassische Luftfracht werden nur unterdurchschnittliche 2 – 4% erwartet), geraten die Carrier zudem unter zunehmenden Preisdruck. Da die Luftfrachtspediteure sehr preissensitiv sind und zudem wenige Möglichkeiten zur Produktdifferenzierung bestehen, wird in der Branche überwiegend über den Preis konkurriert, der die Erträge pro geflogenen Tonnenkilometer jedes Jahr um etwa 3,5% schrumpfen lässt.[3] Allerdings scheint in letzter Zeit Bewegung in den Markt zu kommen. Die belgische Sabena ist verschwunden, KLM wurde von Air France übernommen und auch bei Alitalia wird nach neuen Investoren Ausschau gehalten. Lufthansa Cargo versucht sich indes vor allem über die Qualität und die Vielfalt ihres Angebotes aus dem Preissog zu fliegen (Althen, Graumann und Niedermeyer, 2001, S. 429 f.). Demgegenüber sieht sich Cargolux als reiner Frachtführer und versucht insbesondere im Overhead- und Aircraft-Bereich Kosten einzusparen. Beide Strategien, Differenzierung und Kostenführerschaft, scheinen nach Einschätzung von Althen, Graumann und Niedermeyer (2001, S. 440) Erfolg versprechend zu sein. In den letzten Jahren hat die Konzentration in der Airlinebranche zugenommen: Neun von 146 Fluggesellschaften bewegten im Jahr 2006 50,6% der weltweiten Luftfracht (o.V, 2007). Darüber hinaus wurden – ähnlich wie in der Speditionsbranche – strategische Airline Allianzen gebildet, um unter dem zunehmenden Wettbewerbsdruck bestehen zu können.

 

Die intensive horizontale Konkurrenz wirkt sich auch auf den vertikalen Wettbewerb zwischen Spediteuren und Fluggesellschaften aus. Speditionen und Airlines sind prinzipiell, so formuliert es Allaz (2002, S. 86), „wie ein altes Paar die alles übereinander wissen“. So niedlich dies auch klingen mag, die Ironie daran ist kaum zu überlesen, denn das Verhältnis zwischen Fluggesellschaften und Speditionen kann vor dem Hintergrund der abwärtsgerichteten Tarifspirale und eines drohenden Preiskrieges bestenfalls als angespannt bezeichnet werden (vgl. Reifenberg und Remmert, 2005). Aus Sicht der Airlines sind es vor allem drei Faktoren, die dabei negativen Einfluss auf die Preise haben (vgl. Otto, 2005, S. 458):

 

  • Homogenität der Luftfrachtleistung
  • Airlinesubventionen
  • Zunehmende Verhandlungsmacht der Nachfrager

 

In ihrem Luftfrachtangebot unterscheiden sich Airlines im Allgemeinen kaum. Einige Fluggesellschaften, wie etwa die Lufthansa Cargo, versuchen zwar mit hohem Werbeaufwand sowie einem umfangreichen Service- und Leistungsangebot sich qualitativ von den Wettbewerbern abzuheben, letztlich bleibt das “Gut“ Luftfrachttransport aber austauschbar. Da Spediteure sehr preissensitiv sind, wird in der Branche in der Regel nur über den Preis konkurriert (Grandjot, 2002, S. 101).

 

Subventionen verhindern, das ineffiziente Unternehmen aus dem Markt ausscheiden. Auf dem Luftfrachtmarkt herrscht dadurch ein beständiges Überangebot an Luftfrachtkapazitäten. Da die Konsolidierung aus protektionistischen Gründen auf Seiten der Airlines wesentlich langsamer von statten geht, herrscht zwischen beiden Akteuren längst keine Parität mehr. Darüber hinaus fehlt es den meisten Staatscarriern an wirtschaftlichen Anreizen und häufig auch an entsprechender Professionalität, um mit ihren Belly-holds bewusst kommerzielle Ziele zu verfolgen.

 

Die Speditionen bringt das in eine komfortable Position. Mit dem Wissen, dass Airlines von hohen Ladefaktoren abhängig sind und um jede Tonne Fracht kämpfen müssen, handeln große Spediteure wahre Diskonttarife aus – die Airlines haben dabei kaum eine Wahl – durch relativ niedrigen variable Kosten im Luftfrachtgeschäft wird Ladefaktoroptimierung zum Hauptziel: selbst ein Preis von nur ein paar Cents pro Kilogramm kann demnach der Alternative nichts zu verkaufen eigentlich nur vorgezogen werden (Reifenberg und Remmert, 2005, S. 541 f., Biermann, 1986, S. 218 ff.). Wird dann ein entsprechender Rabatt gewährt, können Spediteure dank der einfachen Vergleichbarkeit über das Internet häufig einen noch günstigeren Anbieter vorweisen und weiteren Rabatt verlangen (ebenda; vgl. auch Schöfer und Seek, 2005, S. 198). Dort angelangt, finden sich nach Reifenberg und Remmert (2005, S. 541) Fluggesellschaften wortwörtlich auf einem Preisbasar wieder. Am Ende dieser Preiskampfes kommt es vor, dass Frachtraten ausgehandelt werden, die bis zu 70% unter der von der IATA empfohlenen Frachtrate liegen.[4][5]

 

In den letzten Jahren konnten sich die Einkommen der Fluggesellschaften ein wenig stabilisieren. Durch Terroranschläge und einem Ölpreis auf Rekordniveau sind Fluggesellschaften dazu übergegangen pauschale Frachtaufschläge, sog. Surcharges, zu erheben. Für erhöhte Treibstoffkosten erheben die meisten Airlines derzeit eine Zusatzgebühr von 0,5 bis 0,55 Euro pro Kilogramm.[6] Kritik kommt erwartungsgemäß aus dem Speditionslager: Die Surcharges sind oftmals höher als die eigentliche Frachtrate. Surcharges sind aber grundsätzlich nicht kommissionierungsfähig, was im Extremfall eines “Gratis-Tarifes“ überhaupt keine Provision für den Spediteur bringen würde (Siegmund, 2005, S. 2).[7]

 


[1]           Regional kann diese Zahl noch deutlich höher ausfallen. Am Frankfurter Flughafen werden mittlerweile 2/3 der gesamten Luftfracht von einer Speditionsallianz kontrolliert (Frye und Steiger, 2004).

[2]           Als abflugbereit bzw. ready for carriage, gelten Luftfrachtpaletten und –Container.

[3]           Dabei wird sich vor allem auf das Standardfrachtsegment bezogen.

[4]           Heute ist das Aushandeln von Frachtraten üblich. Zu Zeiten als Luftfrachtspediteure zwingend eine IATA-Lizenz benötigten, waren die von der IATA veröffentlichten Tarifsysteme verbindlich (vgl. Chiavi, S. 502).

[5]          Natürlich findet ein derart drastischer Luftfrachtdiscount nicht auf jeder Strecke statt. Die Preise werden maßgeblich von der Anzahl der Anbieter die eine Strecke bedienen und der Art der transportierten Fracht bestimmt. 60% der innereuropäischen Relationen werden trotz Liberalisierung immer noch als Monopole betrieben (Hartwig, 2004, S. 276). Die Frachtraten auf solchen Relationen sind erwartungsgemäß höher als auf Strecken, die über den Nordatlantik gehen. Ähnlich verhält es sich mit Expressfracht – gemäß der naturgemäß unelastischeren Nachfrage sind für diese Fracht höhere Preise zu bezahlen (Vgl. Becker, 1999, S. 45 f.; Doganis, 2002, S. 327).

[6]           Die Höhe der Surcharges kann auf den Internetseiten der Anbieter abgerufen werden.

[7]           Tatsächlich können Fluggesellschaften die Rendite auf einem Flug durch Surcharges aufbessern. Eine MD-11 verbrennt 7,5 t Treibstoff in der Stunde, was bei einem Preis von 700 USD/t 5250 USD entspricht. Bei einem Flug von Frankfurt nach Neu-Delhi ist eine MD-11 acht Stunden unterwegs und verursacht Kerosinkosten von 42.000 USD. Bei 80 t Ladung verdient die Airline bei 0,6 Euro pro Kilogramm 48.000 Euro, also etwa 56.000 USD. Dies ergibt ein Plus von 14.000 USD (Beispiel auf Basis von Angaben Dezember 2005, Siegmund, 2005).