Marktmacht der Lieferanten

Nach Porter (1998, S. 27 ff.) verfügen Lieferanten über Marktmacht, wenn:

 

  • Die Lieferanten stärker konzentriert sind als die Abnehmerbranche,
  • Keine Substitute für ihre Produkte vorhanden sind,
  • Die Branche für den Lieferanten relativ unwichtig ist,
  • Das Produkt des Lieferanten ein wichtiger Inputfaktor für das Geschäft des Abnehmers ist,
  • Umstellungskosten bei den Abnehmern bei Lieferantenwechsel vorliegen,
  • Die Lieferanten glaubwürdig mit einer vertikalen Integration drohen.

 

Für die Luftfrachtbranche in Europa können vier Gruppen von Lieferanten unterschieden werden:

 

a)     Betriebsmittellieferanten,

b)      Arbeitsmarkt

c)      Flughäfen

d)      Frachtraumanbieter

 

a)         Betriebsmittellieferanten sind für die Luftfrachtbranche Anbieter von Flugzeugen, Straßenfahrzeugen des Vor- und Nachlaufs, sowie Lager- und Umschlageinrichtungen. Um die entsprechenden Betriebsmittel zu beschaffen sind in der Regel hohe Investitionen nötig, welches den Luftfrachtakteuren entsprechende Verhandlungsmacht einräumt (Schneider, 1993, S. 41). Lager- und Umschlagssysteme bestehen zum großen Teil aus Einzelkomponenten, deren Anbieter Mittelständler sind. Die Komponenten sind dabei keine Spezialausrüstungen, die Verhandlungsmacht ist daher gering. Unter den Fahrzeuglieferanten herrscht großer Wettbewerb, weshalb ihre Machtpositionen zumindest bei großen Abnehmern ebenfalls als eher gering beurteilt werden kann. Der Flugzeugmarkt wird von Boeing und Airbus bestimmt. Die meisten Airlines verhindern ein Abhängigkeitsverhältnis zu  einem Hersteller durch einen Flottenmix. Auch wenn das Durchschnittsalter der Cargoflotten sehr hoch ist und sowohl Airbus und Boeing (2006a, S. 78; 2006, S. 101 f.) erhebliche Verjüngungen in den nächsten Jahren prognostizieren, bleibt die Marktmacht der Flugzeughersteller durch einen funktionierenden Sekundär- und Leasingmarkt begrenzt. Die Gefahr einer Vorwärtsintegration in die Branche des Abnehmers besteht indes nicht.

 

b)         Arbeitskräfte verfügen in vielen Branchen über ein erhebliches Machtpotential. Hochqualifizierte Beschäftigte und/oder gewerkschaftlich organisierte Arbeitskräfte sind in der Lage die Gewinne einer Branche in Tarifverhandlungen zu schmälern (Porter, 2004, S. 28). Die gering qualifizierten Arbeitnehmer sind in der Luftfahrtbranche (insbesondere im Fuhrgewerbe) kaum organisiert und verfügen über wenig Macht. Das Flug- und Flugsicherheitspersonal verfügt hingegen angesichts jüngster Tarifverhandlungen durchaus über eine gewisse Marktmacht. Ferner steigt mit zunehmender Komplexität logistischer Dienstleistung auch der Bedarf an Logistikexperten. Derzeit gibt es aber keine Hinweise, dass in Europa die Akquisition geeigneten Personals einen Engpass darstellt.

 

c)                  Flughäfen sind Lieferanten für Air-Cargo-Service Leistungen. Sie stellen den Speditionen, Fluggesellschaften sowie Integratoren Infrastruktur und Dienstleistungen zur Durchführung ihrer Operationen zur Verfügung. Nach allgemeiner Auffassung stellen Flughäfen dabei Monopole mit regional begrenztem Einzugsgebiet dar. In der Wissenschaft wird jedoch zunehmend bezweifelt, ob Flughäfen auch über die entsprechende Marktmacht verfügen, langfristig einen Monopolpreis zu setzen (vgl. Starkie 2002, S. 68). Beckers et al (2003, S. 21 ff.) kommen in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass zumindest sog. Primärflughäfen über eingeschränkte Marktmacht verfügen. Hohe wirtschaftliche und institutionelle Markteintrittsbarrieren (z.B. langwierige behördliche Genehmigungsverfahren) behindern potentiellen Wettbewerb und räumen den Flughäfen Preissetzungsspielraum ein. De facto ist die Konzentration in der Airportbranche hoch. Mehr als die Hälfte der europäischen Luftfracht wird an den großen Hubs Frankfurt/Main, Paris Charles de Gaulle, Amsterdam Schipol und London Heathrow umgeschlagen (Barck, 2001, S.12).[1] In der Vergangenheit haben die vier großen Hubs in großem Ausmaß Luftfracht von nachgeordneten Flughäfen abgezogen und für eine starke Zentralisierung der Luftfrachtbranche in ihrer Umgebung gesorgt (Vahrenkamp, 2005, S. 287). Solch ein großes Volumen erfordert hohe faktorspezifische Investitionen vor allem durch den ansässigen Homecarrier durch die er sich indirekt in ein Abhängigkeitsverhältnis begibt, da im Falle einer Gebührenerhöhung das Drohpotential den Standort zu wechseln, weniger glaubwürdig erscheint (Beckers et al, 2003, S. 26). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Rolle der europäischen (Fracht-)Flughäfen in der Welt. Frankfurt führt auf Rang sechs die europäischen Airports mit deutlichem Vorsprung an. Der Median verdeutlicht dabei, dass die Konzentration der Frachtaufkommen auf nur wenige Airports kein europäisches Phänomen ist.

 

Trotzdem belegt Barrett (2002) anhand diverser Beispiele, dass seit der Deregulierung des europäischen Luftverkehrs der Wettbewerb in der Branche spürbar zugenommen hat. Durch das Auftauchen der Low-Cost-Carrier konnten zahlreiche Regional- und ehemalige Militärflughäfen am Rande der Ballungsräume in den Markt eintreten. Begünstigt durch niedrige Tarife, geringere Umweltauflagen und uneingeschränkte Nachtflugoperabilität haben sich einige dieser Flughäfen in den letzten Jahren auch erfolgreich im Cargogeschäft etablieren können. Kunden sind vor allem All-Cargo Betreiber und Integratoren, die in hohem Ausmaß vom Nachtflugbetrieb abhängig sind.[2] Dennoch muss kritisch angemerkt werden, dass viele Flughäfen den positiven Beispielen der Branche bisher nicht folgen konnten und die Marktanteile nicht ausreichen, die Dominanz der Branchenriesen nachhaltig zu schwächen. Zwar ermittelten Gardiner, Ison und Humphreys (2005), dass Preise ein wichtiges Kriterium bei der Wahl eines Frachtflughafens ist, ausschlaggebend sind aber die für den Betrieb notwendige Infrastruktur (Fernstrassen- und Eisenbahnanbindung, ausreichende Start- und Landebahnen, Platz für Bodenabfertigungseinrichtungen usw.) und das nötige Know-how in Form angesiedelter Speditionen. Dies ist bei vielen Flughäfen jedoch nicht der Fall. Es bleibt abzuwarten, inwiefern generelle Nachtflugbeschränkungen, zunehmende Kapazitätsengpässe auf den Hubs und Sicherheitsvorschriften hinsichtlich Belly-Fracht auch die Combination Carrier zu einer stärkeren Abkoppelung ihrer Frachteraktivitäten vom Passagierverkehr und damit einer möglichen Auslagerung auf die kleinen Flughäfen zwingen könnten (vgl. Putzger, 2006).[3][4]

 

Derzeit relevanter ist der Wettbewerb der großen Frachtflughäfen untereinander. Bedingt durch die enge geographische Nachbarschaft überschneiden sich die Einzugsgebiete aller großen europäischen Luftfrachtdrehscheiben mit der Konsequenz, dass es zu einem intensiven Wettbewerb um Luftfracht in diesen Gebieten kommt. Um ihre Kapazität möglichst effizient auszulasten, haben Airlines weite Road-Feeder Netzwerke aufgebaut. Ausgestattet mit Luftfrachtbrief und Flugnummer dringen LKW der rivalisierenden Fluggesellschaften in die Einzugsgebiete konkurrierender Hubs ein, um dort Frachtaufkommen zu akquirieren, dass sie dann an ihre Heimat-Hubs trucken (Aberle, 2003, S. 555). Air France-KLM beispielsweise hat hierfür in Frankfurt-Hahn extra einen Trucking-Terminal eingerichtet, an dem die Fracht gesammelt, sortiert und anschließend nach Paris  gefahren wird (Bjelicic, 2001, S. 36).

 

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Rolle der europäischen (Fracht-)Flughäfen in der Welt. Zehn europäische Flughäfen wurden 2005 unter den 50 weltweit größten Umschlagszentren gelistet. Frankfurt führt auf Rang sechs die europäischen Airports mit deutlichem Vorsprung an. Der Median verdeutlicht dabei, dass die Konzentration der Frachtaufkommen auf nur wenige Airports kein nur europäisches Phänomen ist. Von den 50 gelisteten Flughäfen, wird allein an den 14 größten mehr als die Hälfte der Luftfracht umschlagen. Nach Steiger (2005) wird die Konzentration dabei noch weiter zunehmen.

 

Insgesamt lässt sich festhalten, dass in der europäischen Luftfrachtbranche vor allem die großen Hubs über Marktmacht verfügen, ihre Preissetzungsmacht aber durch den starken Wettbewerb diszipliniert wird. In der wissenschaftlichen Literatur ist man sich indes weitgehend einig, dass Flughäfen allgemein einer Regulierung bedürfen und darüber hinaus auch die Privatisierung weiter vorangetrieben werden sollte (Beckers et al., 2003). Vor diesem Hintergrund ist die Verhandlungsstärke von Flughäfen für die Rentabilität der Branche eher von untergeordneter Relevanz.

 

Tabelle 1: Die größten Frachtflughäfen der Welt im Jahr 2005

Rang

Flughafen

Luftfrachtabfertigung (Fracht und Post in Tonnen)

Veränderung in %

1

Memphis, TN (MEM)

3.598.500

1,2

2

Hong Kong, CN (HKG)

3.437.050

10,1

3

Anchorage, AK (ANC)

2.609.498

9,7

4

Tokyo, JP (NRT)

2.290.346

3,5

5

Seoul, KR (ICN)

2.149.937

0,8

6

Frankfurt, DE (FRA)

1.963.141

6,7

7

Los Angeles, CA (LAX)

1.928.894

1,4

8

Shanghai, CN (PVG)

1.856.328

13,7

9

Singapur, SG (SIN)

1.854.610

3,3

10

Louisville, KY (SDF)

1.814.730

4,3

11

Paris, FR (CDG)

1.770.940

8,2

12

Miami, FL (MIA)

1.761.926

1,0

13

Taipeh, TW (TPE)

1.705.320

0,3

14

New York, NY (JFK)

1.649.055

3,3

15

Chicago, IL (ORD)

1.547.859

1,3

16

Amsterdam, NL (AMS)

1.485.918

2,0

17

London, GB (LHR)

1.389.591

1,6

18

Dubai, AE (DXB)

1.314.904

12,5

19

Bangkok, TH (BKK)

1.140.836

7,8

20

Indianapolis, IN (IND)

1.082.339

6,8

21

Newark, NJ (EWR)

957.374

3,2

22

Osaka, JP (KIX)

869.202

0,7

23

Tokyo, JP (HND)

799.062

3,2

24

Peking, CN ((PEK)

782.066

17,0

25

Atlanta, GA (ATL)

764.717

11,2

26

Guangzhou, CN (CAN)

750.552

18,7

27

Luxemburg, LU (LUX)

742.758

4,2

28

Dallas/Fort Worth Airport, TX (DFW)

720.623

2,8

29

Brüssel, BE (BRU)

704.569

6,0

30

Oakland, CA (OAK)

675.227

0,0

31

Kuala Lumpur, MY (KUL)

655.944

0,1

32

Köln, DE, (CGN)

643.653

4,6

33

San Francisco, CA (SFO)

584.926

3,9

34

Philadelphia, PA (PHL)

558.071

4,0

35

Ontario, CA (ONT)

521.853

4,9

36

Sao Paulo, BR (GRU)

475.182

8,3

37

Shenzhen, CH (SZX)

463.763

9,6

38

Mumbai, IN (BOM)

434.316

8,8

39

Manila, PH (MNL)

412.162

2,6

40

New Dehli, IN (DEL)

388.609

13,1

41

Houston, TX (IAH)

384.451

2,6

42

Mailand, IT (MXP)

383.957

6,3

43

Mexico City, MX (MEX)

380.397

1,1

44

Madrid, ES (MAD)

365.444

3,1

45

Shanghai, CN (SHA)

359.556

22,3

46

Boston, MA (BOS)

356.121

2,8

47

Toledo, OH (TOL)

352.347

0,0

48

Zürich, CH (ZRH)

348.596

2,5

49

Jakarta, ID (CGK)

344.350

5,5

50

Seattle/Tacoma, WA (SEA)

341.587

1,6

 

Median

Mittelwert

14

1,4

Quelle: IATA (2006, S. 51)

 

d)         Frachtraumanbieter sind Charterfluggesellschaften, die bei Engpässen Lieferanten zusätzlichen Frachtraums sind. Sie werden überwiegen von Linienfluggesellschaften gesteuert und haben keinen direkten Einfluss auf die Bildung von Transportketten im Luftfrachtmarkt. Durch Überkapazitäten der Linienfluggesellschaften unterliegen sie ständigem Preisdruck durch Fluggesellschaften, Integratoren, Agenten und Nachfragern (Schneider, 1993, S. 41). Einige Unternehmen konnten sich in der Vergangenheit jedoch als Nischenanbieter mit eigenem Direktvertrieb  erfolgreich am Markt behaupten. Ein gutes Beispiel ist Air Bridge Cargo, die russische An-124 und IL-76 Schwergutfrachter unterhalten, um Transporte mit übergroßer und/oder besonders schwerer Fracht durchführen zu können (Kulke-Fiedler, 2006).

 


 

[1]           National sind die Anteile teilweise noch höher. In Frankfurt werden 2/3 des deutschen Frachtaufkommens abgewickelt (Frye und Steiger, 2004), in Frankreich vereinigt Paris CDG sogar 88 % des Gesamtaufkommens (Allaz, 2002, S. 95).

[2]          So baut DHL seinen neuen Europa-Hub in Halle/Leipzig auf, TNT in Liége, FedEX und vor allem UPS haben ihre Frachteraktivitäten auf Köln/Bonn konzentriert. Köln/Bonn ist mittlerweile zur Nummer zwei hinter Frankfurt in Deutschland und zur Nummer sechs in Europa im Cargogeschäft aufgestiegen. Weltweit ist Köln/Bonn bereits der 36. größte Frachtflughafen (s. Tabelle 1).

 

[3]           Da derzeit 90 % der belly-Fracht ungeprüft verladen werden, weist Putzger (2006) auf die nicht ausschließbare Bedrohung eines terroristischen Anschlags mit einer in der Belly-Fracht positionierten Bombe hin, welche das Ende der kombinierten Luftfrachtbeförderung bedeuten könnte (vgl. auch Otto, 2005, S. 470).

[4]           Die viel diskutierten Nachtflugverbote können erhebliche wettbewerbsverzerrende Wirkung haben. Sollte Frankfurt beispielsweise von einem Verbot getroffen werden, würde es seine Führungsposition vermutlich schwer behaupten können. Paris und London haben nur bedingte Beschränkungen, Amsterdam gar keine. Der Flughafen Schiphol hat sogar angekündigt, die Anzahl seiner Flugbewegung im nächsten Jahr auf 30.000 p.a. zu verdoppeln (HSH Nordbank, 2006, S. 38).