Anforderungen an den Luftfrachttransport

Die hervorragenden Leistungsmerkmale des Flugzeuges – Schnelligkeit, Sicherheit, Pünktlichkeit und Bedienungshäufigkeit – sind die entscheidenden Qualitätsmerkmale des Luftfrachtverkehrs, die bis heute in vielen Bereichen den entscheidenden Ausschlag für den Lufttransport geben, um Beschaffung, Produktion und Absatz von Waren auf einer weltweiten Basis zu realisieren (Grandjot, 2002, S. 120).

 

Die Anforderungen und Marktbedürfnisse sind mit der zunehmenden Globalisierung weit über die reine Transportleistung hinausgewachsen. Die Veränderung der Beschaffungs-, Absatz- und Logistikstrukturen haben den Bedarf umfassender logistischer Problemlösungen offenbart und das schnelle Wachstum der integrierten Systemangebote ermöglicht. Seitdem die Integratoren auch zunehmend den Markt für Standardfracht bedienen, ist die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der reinen Frachtführung in Frage gestellt. Ihr Wettbewerbsvorteil besteht vor allem darin, über Reduzierung und weitgehende Automatisierung der Schnittstellen einen durchgängigen, transparenten und schnelleren Transport mit Übernachtlieferungen zu ermöglichen. Sendestatusverfolgung und Money-Back-Garantien komplettieren das Angebot (Becker, 1999. S. 41 f.). Mittlerweile reagieren die klassischen Anbieter auf diese neuen Herausforderungen mit einem breiteren Service- und Produktangebot und einer engeren und effizienteren Zusammenarbeit von Airline und Spedition (Grandjot, 2002, S. 114). Daneben werden sowohl von Integratoren als auch Speditionen und Airlines zusätzliche Nebenleistungen wie Logistikberatungen angeboten, mit denen man dem zunehmenden Trend des Outsourcings logistischer Prozesse von Industrie und Handel Rechnung trägt (vgl. Stabenau, 1999, S. 92). Bjelicic wies bereits 1991 (S. 335 f.) auf den ständigen Wandel der Wettbewerbsstrategien und Wettbewerbsfelder von Verkehrsanbietern hin. Zwar allgemein formuliert gilt dies aber doch insbesondere für den Luftfrachtmarkt. Die veränderte Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen bewirkt, dass bestimmte Branchensegmente wachsen, während andere stagnieren oder gar schrumpfen.

 

Charterfluggesellschaften verfügen im Allgemeinen bereits über negatives Wachstum. Auch Anbieter traditioneller Lufttransportketten befinden sich mittlerweile in der Sättigungsphase und können nur noch geringe Wachstumsraten verzeichnen. Die Integratoren nähern sich der Wachstumsgrenze ihrer Stammmärkte an und werden in absehbarer Zeit in die Marktsättigung eintreten.[1] Stark wachsen derzeit sog. ACMI-Provider, die ihre Flugzeuglotte samt Wartung und Besatzung ausschließlich verleasen (“wet leasing“), Luftfracht also nicht im eigenen Namen befördern und sich so unabhängig vom Risiko niedriger Ladefaktoren befreien. Bedingt durch die veränderten Anforderungen der Unternehmen im Welthandel geht der Trend zum Kontraktlogistiker, die komplette Logistiklösungen für ihre Kunden anbieten. Relativ neu am Markt sind Frachtraumbroker, die auf Anfrage für jeden beliebigen Transport das entsprechend benötigte Fluggerät chartern.  Sie unterhalten somit kein eigenes Fluggerät, sondern vermitteln die Frachtraumkapazitäten von Charterfluggesellschaften.[2] Mit zunehmender Trennung von der Aufgabe der physischen Transportdurchführung entwickeln sich sog. “Fourth-Party-Logistic“-Unternehmen, die Koordination und Zusammenfassung von Dienstleistungsangeboten verschiedener Logistikdienstleister übernehmen. Die konkrete Aufgabe eines 4PL-Providers besteht darin, ohne eigene Betriebsmittel die Steuerungs- und Integrationsfunktion innerhalb der Supply Chain zu übernehmen und die Effizienz der Lieferkette zu steigern.

 

Welche Implikationen sich hieraus für den europäischen Luftfrachtwettbewerb ergeben, soll Gegenstand des nächsten Kapitels sein.

 


[1]           Dies gilt weniger für Europa als für die USA. Ihre Heimatmärkte, die durch das Expressgeschäft dominiert werden wachsen nur noch sehr unterdurchschnittlich (vgl. Boeing, 2006b, S. 19 f.).

[2]           Ein erfolgreiches Beispiel ist die Lufthansa-Tochter Lufthansa Cargo Charter Agency (LCCA), die seit 2001 mit 30 Mitarbeitern 2004 einen Umsatz von 56 Millionen Euro erwirtschaftete (o.V, 2006a, S. 28).