Markteintrittsbarrieren im europäischen Luftfrachtverkehr

Die Attraktivität einer Branche hängt primär von der in ihr zu erzielenden Marktrendite ab. Je höher die Rentabilität der etablierten Unternehmen, desto wahrscheinlicher wird der Eintritt neuer Wettbewerber mit der Folge sinkender Profite. Markteintrittsbarrieren können diese Gewinnunterschiede unabhängig von der Marktleistung der eingesessen Unternehmen konservieren (Knieps, 2005, S.14). Nach industrieökonomischem Verständnis wird das Ausmaß des Wettbewerbes innerhalb einer Branche somit stark von der Höhe der Marktzutrittsbarrieren beeinflusst. Je gravierender die Zutrittsschranken sind, desto geringer ist auch die Bedrohung der etablierten Unternehmen  durch potentielle Wettbewerber (Schneider, 1993, S. 44). In Anlehnung an Porter (2004, S. 23 f.) nennt Schneider (1993, S. 44) wesentliche Ursprünge von Markteintrittsbarrieren:

 

  • Betriebsgrößenersparnisse (Economies of Scale) der etablierten Unternehmen
  • Absolute Kostenvorteile der etablierten Unternehmen
  • Produktdifferenzierung der etablierten Unternehmen
  • Hoher Kapitalbedarf bei Markteintritt
  • Schwieriger Ressourcenzugang
  • Hohe Umstellkosten für die Kunden der Branche
  • Ordnungspolitische Regulierung der Branche

 

Neben diesen strukturellen Markteintrittsbarrieren werden noch verhaltensbedingte Markteintrittsbarrieren aufgeführt, die Abwehrreaktionen der eingesessenen Unternehmen auf die Bedrohung potentieller Marktzutritte neuer Wettbewerber umfassen. Die Abwehrstrategien der etablierten Unternehmen werden aus Erwartungen abgeleitet, die durch folgende Faktoren beeinflusst werden (vgl. ebenda):

 

  • Reaktionen der etablierten Unternehmen auf vergangene Markteintritte
  • Verfügbarkeit an Ressourcen für wirksame Reaktion
  • Bindung der etablierten Anbieter an die Branche
  • Branchenentwicklung

 

Tabelle 5 fasst die  für den europäischen Luftfrachtmarkt relevanten Markteintrittsbarrieren zusammen:

 

Tabelle 5: Markteintrittsbarrieren des europäischen Luftfrachtmarktes

Hohe Eintrittsbarrieren

Niedrige Eintrittsbarrieren

Kapitalbedarf für Standorte und Vertriebsnetze

Abnehmender Kapitalbedarf für Fluggerät

Hohe Kosten der Markteinführung (abnehmend)

Möglichkeit zur Produktdifferenzierung

Reaktionen der etablierten Wettbewerber (zunehmend)

Abnehmende Umstellkosten auf andere Anbieter

Staatliche Regulierung (abnehmend)

Abnehmende Kostenvorteile der etablierten Anbieter durch economies of scale und Lernkurveneffekte

Flughafenslots

Quelle: Schneider (1993, S. 45)

Grundsätzlich ist mit der Deregulierung der Zugang zu den Luftverkehrsmärkten essentiell erleichtert worden. Durch Leasing und einen intakten Zweitmarkt hat der Kapitalbedarf zur Anschaffung von Flugzeugen abgenommen. Investitionen tragen ebenfalls nicht mehr den Charakter versunkener Kosten, da geleastes oder eigenes Fluggerät zu relativ geringen Kosten zurückgegeben oder verkauft werden kann. Mit der Möglichkeit zur Produktdifferenzierung können sich potentielle Wettbewerber als Spezialisten etablieren. Mit wachsender Bedeutung des Internets als Vertriebsplattform nimmt die Transparenz der Angebote verschiedener Anbieter zu und ein Wechsel wird entsprechend erleichtert. Darüber hinaus ist in vielen empirischen Studien nachgewiesen worden, dass Kostenvorteile durch economies of scale und Lernkurveneffekte im Luftverkehr allenfalls von nachgeordneter Bedeutung sind (Weimann, 1998, S. 283).

 

Auf Seite der nach wie vor als hoch einzuschätzenden Zugangsbeschränkungen stehen hohe Investitionen zum Aufbau eines eigenen Standorts und Vertriebsnetzes. Das Überschreiten eines kritischen Anfangsvolumens zur raschen Auslastung leistungsfähiger Güterverkehrsysteme ist mit hohen Kosten bei der Markteinführung verbunden (Schneider, 1993, S. 45). Durch zunehmende Konzentration der Branche wird sich tendenziell die Reaktionsfähigkeit der etablierten Anbieter erhöhen. Insbesondere im interkontinentalen Flugverkehr bestehen weiterhin gravierende Markteintrittsbarrieren für Flugrouten die der siebten und achten Freiheit des Luftverkehrs bedürften sowie die Restriktionen bzgl. Mehrheitsbeteiligungen gebietsfremder Fluggesellschaften an nationalen Airlines im Rahmen der Nationalitätenklauseln.[1] Durch die Überlastung des europäischen Luftverkehrssystems müssen sowohl die Knappheit von Slots als auch die derzeitige Vergabepraxis nach dem “Großvaterrecht“ als besonders problematische Marktzutrittsbarrieren betrachtet werden (Weimann, 1998, S. 284). Pitelis und Schnell bekräftigen dies mit ihrer Untersuchung aus dem Jahr 2002.[2] Kummer und wiederum Schnell (2002, S. 243) untermauern die Ergebnisse noch einmal mit einer ähnlichen Untersuchung aus demselben Jahr.

 


[1]           So muss beispielsweise der Integrator FedEx, die ihren zentralen Europahub in Paris hat, seine täglichen Flüge von den USA nach England in Stansted beenden und mit leeren Maschinen nach Paris weiterfliegen, während die Fracht von Stansted nach Paris mit dem Lkw oder von FedEx beauftragten europäischen Carriern weiterbefördert wird (Hartwig, 2004, S. 293).

[2]           In der betrachteten Studie haben über 80% der befragten Airlinemanager die Slotallokation als effektivste Markteintrittshürde eingeschätzt (Pitelis und Schnell, 2002, S. 135).